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MARIA STUART / FRIEDRICH SCHILLER / DENISE RECH
Autorin: Sabine Herrmann

MARIA STUART | Foto: Niko Korte Denise Rech erweist sich in Friedrich Schillers zum Monodram verdichteten Trauerspiel "Maria Stuart" als virtuose Meisterin der leisen, wie aber auch lauten Töne. Von starker körperlicher Präsenz macht Rech mit ihrer Anverwandlung der beiden Marias sowie auch der Gefangenen Elma, die den Text eines Reclamheftchens nachspielt, zu einem mehr als beeindruckenden Erlebnis | Foto: Niko Korte

Ein starkes Schauspielerinnen-Solo vor den südlichen Toren unserer Stadt im Bochumer "Theater der Gezeiten": Die Ex-Mondpalast-Mimin Denise Rech meistert furios ganz allein den Schillerschen Klassiker "Maria Stuart". An der Wanner Wilhelmstraße spielte sie in "Peterchens Mondfahrt". Ehemals dort auch mit dem damaligen Intendanten verbandelt, entdeckt sie nun als "Freie" immer mehr eigene schöpferische Fähigkeiten.

Maria Stuart, die schottische, und Elisabeth, die englische Königin, liegen miteinander im Clinch. Dieser Zweikampf um den Thron ist ein Rollenfutter für große Damen eines jeden guten Stadttheaterensembles. Gemeinsam mit Regisseur Stefan Meißner und Co-Frau Beate Conze hat die 40-Jährige sich in reiner Schillersprache eine komplette Bearbeitung auf den so zierlichen Körper, deren "Markenzeichen" das haarlose Haupt ist, geschrieben.

Voller Dynamik in Handlung und Spiel, als Herausforderung für alle Beteiligten, aber auch mit viel Spaß daran, agiert die so grazil wie mädchenhaft wirkende Schauspielerin mit Freude, Kraft und Schwung, leise und eindringlich, emotional sowie bisweilen laut und körperbetont. Souverän stemmt sie auf keinesfalls zu lange 100 Minuten dieses Trauerspiel, das am 14. Juni 1800 im Weimarer Hoftheater uraufgeführt worden ist.

Im Fokus ihrer Bühnenfassung steht das Verhältnis der beiden Feindinnen und ihr Kampf um Selbstbefreiung auf dem Schlachtfeld zwischen Liebe, Religion und Politik. "Nach jahrelanger Gefangenschaft des Hochverrats für schuldig befunden, kämpft Maria Stuart um ihre Freiheit. Die Königin von Schottland ist unfähig, ihren Stolz zu unterwerfen, um dann am Ende losgelöst ins Himmelreich aufzusteigen" schildert die Schauspielerin ihre Sicht auf Schillers Klassiker und meint weiter: "Als Königin von England ist Elisabeth angewiesen auf die Gunst ihres Volkes, wird sie zum Ehebündnis mit Frankreich genötigt und zur Vollstreckung des Todesurteils über Maria gedrängt, um dann zum Schluss verraten und betrogen alleine zurückzubleiben."

Rech, die das Stück und auch die Figur der Maria schon seit längerem beschäftigt, hebt auf Gemeinsamkeiten der beiden eigentlich mächtigen Herrscherinnen ab, die aber doch gefangen sind. Elisabeth in ihrem Stand, der es ihr kaum erlaubt, unabhängig zu handeln. Sie muss dem Volk und ihren Beratern sowie dem Hofstaat gerecht werden. Ihre Rivalin Maria ist aus Schottland verjagt und defacto in England eingekerkert...

Der Bühnenraum an der Schmechtingstraße 40 in Bochum ist recht klein, aber tief. Eine Liegestatt im Hintergrund, auf der das Spiel beginnt und auch endet. Leere Getränkekisten dienen wie auch namenlos gemachte Wasserflaschen als äußerst variable Requisiten. Mannigfach in ihrer jeweiligen Funktion interpretierbar ist auch die Lichtregie sehr sparsam. Meist recht dunkel, wie es den damaligen düsteren Zeiten entspricht, ist Denise Rech 'mal in rotes, 'mal in blaues Licht getaucht: Ein Hinweis auf jeweils eine der beiden Monarchinnen.

Die Bühnenfassung und Inszenierung des kleinen Off-Theaters erlebt ihren ganz besonderen Kick durch die Einführung einer dritten, auch zentral wichtigen weiblichen Person. Auch sie eine Gefangene, die alles aufnimmt, was auf der Bühne geschieht, um in die Situation einzutauchen.

Das kleine schwarze Trägerkleidchen, die weiße Brautrobe - oder ist es das Gewand einer Regentin? Ein Fächer dient als Erkennungsmerkmal der Elisabeth. Die oftmals wie Untertanen aufgebauten PET-Flaschen kullern auch manchmal wie im freien Fall, oder besser im unkontrollierten Lauf über die Vorderbühne. Bisweilen, so scheint es, nimmt eine einzelne davon im Arm der Schauspielerin auch die "Rolle" eines zu versorgenden Babys ein, geben einige hastige kleine Schlucke neue Kraft. Aber es auch können Verbündete, Feinde oder gar ein Geliebter in den diesen Requisiten gesehen werden.

Der 35-jährige Regisseur Stefan Meißner, ein geborener Gütersloher, ist dem heimischen Publikum kein Unbekannter. 2014 setzte er gemeinsam mit Jörg Schulze-Neuhoff als Darsteller eine Urfassung des Goetheschen "Götz von Berlichingen" am Bochumer Rottstr5Theater in Szene. Mit überschaubarem Erfolg. Gereift, fordert er in seiner jüngsten Arbeit nun die Protagonistin tüchtig heraus. Sie erweist sich als virtuose Meisterin der leisen, wie aber auch lauten Töne. Von starker körperlicher Präsenz macht Rech mit ihrer Anverwandlung der beiden Marias sowie auch der Gefangenen Elma, die den Text eines Reclamheftchens nachspielt, zu einem mehr als beeindruckenden Erlebnis.

Wenn jetzt beim geneigten Leser Interesse geweckt ist, dem "Theater der Gezeiten", der kleinen intimen Spielstätte in U35-Nähe, einen Besuch abzustatten und womöglich auch dem Kröck-Team an der Königsallee mit Johanna Eiworth und Bettina Engelhardt in Heike M. Götzes Fassung und Inszenierung dieses Stücks, um beide miteinander zu vergleichen, so sei auf den 27. Januar, 10. und 24. Februar 2018 verwiesen, wenn sich an diesem urigen Theaterort - einer ehemaligen Kneipe - um jeweils 20 Uhr der imaginäre Vorhang hebt.

Das "Theater der Gezeiten" in der Schmechtingstraße 38-40 in Bochum vereint Künstler aus Sprechtheater, Tanz, Performance, Bildender Kunst und Musik. Es wurde 1995 unter der künstlerischer Leitung von Benno Boudgoust gegründet und entwickelt seine Projekte aus einer Synthese von Körper- und Zeichensprache, Rede, Musik, Videokunst und Tanz. Kartenreservierung unter theater-der-gezeiten.de oder Tel. 0172-4331820 empfohlen.